Alda Mochli Alda wurde am 22. August 1927 in Livorno, Italien, als ältestes von drei Kindern der aristokratischen, wohlhabenden und gebildeten Familie Dello-Strologo geboren. Piero wurde 1929 und Antonia 1940 geboren.

Aldas Schwester Antonia, mit ihrer Mutter und Großmutter im Hintergrund.
Aldas Schwester Antonia, mit ihrer Mutter und Großmutter im Hintergrund.
Aldas Schwester Antonia. Die Eltern Cesarina und Aldo sind im Hintergrund zu sehen.
Aldas Schwester Antonia. Die Eltern Cesarina und Aldo sind im Hintergrund zu sehen.

Es war eine gemischte Familie. Aldas Mutter, Cesarina, war Christin und entstammte einer schottischen Adelsfamilie. Aldas Vater, Aldo, stammte aus einer jüdischen Familie, was für seine Tochter eine Art Paradoxon darstellte.  Einerseits galt Alda nach dem Judentum, das eine mütterliche Abstammung praktiziert, als Christin. Andererseits galt Alda nach dem Christentum, das sich an der väterlichen Abstammung orientiert, als Jüdin. Anfangs störte sie das überhaupt nicht, und Alda sagt sogar, dass sie es genoss. „Als ich klein war, ging ich sonntags mit der Familie meiner Mutter in die Kirche und wartete dann auf den Samstag, um mit der Familie meines Vaters in die Synagoge zu gehen. Aber aus irgendeinem Grund fühlte ich mich dem Judentum immer mehr verbunden. Ich glaube, das lag an meinem Großvater, denn ich stand ihm sehr nahe.“

Alda merkt an, dass sie als Kind eine sehr enge Beziehung zu ihrem Großvater Aristide (dem Vater ihres Vaters, der Jude war) hatte. „Großvater war ein sehr kluger Mann. Er war ein sehr berühmter Anwalt. Er hat immer allen geholfen. Er hatte eine Gemäldegalerie, die er im Laufe der Jahre gesammelt hatte. Ich liebte es, dort am Tisch zu sitzen und zu lesen, zu schreiben und zu zeichnen. Ich hing so sehr an ihm, dass ich immer bei ihm saß und ihm Fragen über das Judentum und andere Themen stellte. In der besagten Galerie hat mir mein Großvater auch das Lesen beigebracht, und als ich in die erste Klasse kam, konnte ich schon gut lesen.“

Der Hauptplatz in Livorno während des Zweiten Weltkriegs.
Der Hauptplatz in Livorno während des Zweiten Weltkriegs.
Die alte Synagoge in Livorno 1944
Die alte Synagoge in Livorno vor 1944
Gemeinfrei aufgrund des Alters

Livorno war eine ganz besondere Stadt in Italien, eine Hafenstadt, die ein Muster an Offenheit und Fortschritt ist (Livorno kommt von dem Wort „liberal“, also „frei“).  Es war eine Stadt, in der es keine großen sozialen Unterschiede zwischen den Menschen gab und in der die Juden nicht in einem bestimmten Viertel – dem „Ghetto“ –, sondern inmitten der übrigen Bevölkerung lebten.

Aldas Familie war eine der wohlhabendsten der Stadt und in Livorno sehr bekannt. Sie sagt: „Als Kind hatte ich Dienstmädchen.  Wir wohnten in einer geräumigen Villa, die von einem berühmten Architekten (Bottoni) entworfen wurde, der ein enger Freund der Familie war. Diese Villa war nur eine von mehreren großen Villen, die die Familie besaß, die meisten davon in der Gegend von Siena.“ Um eine Vorstellung von der Größe der Villa zu vermitteln, erzählt Aldas Sohn David, dass nach der Befreiung Norditaliens durch die Alliierten der Kommandeur einer US-Einheit von mehreren hundert Soldaten beschloss, sein Hauptquartier in dieser Villa einzurichten.

Alda erinnert sich, dass die faschistische Partei, als sie sieben Jahre alt war, bereits an der Macht war und begonnen hatte, Gesetze gegen Juden zu erlassen. „Ich konnte das nicht aushalten. Ich wollte als Kind nicht so leben.  Ich ging auf die Straße und wartete darauf, von einem Auto überfahren zu werden. Im letzten Augenblick beschloss ich, doch zu leben, und rannte von der Mitte der Straße weg. Ich erinnere mich, dass ich den Eindruck hatte, dass die Autos einfach an mir vorbeifuhren, und es war ein Wunder, dass ich nicht überfahren wurde.“

Aldas Mutter mit ihren Eltern (Aldas Großeltern).
Aldas Mutter mit ihren Eltern (Aldas Großeltern).
Aldas Großmutter.
Aldas Großmutter.

Die große Veränderung in Aldas Leben kam 1938, als die Zusammenarbeit zwischen den deutschen Nazis und den italienischen Faschisten sehr eng geworden war. In diesem Jahr begann Aldas Mutter, die gerne las und eine große Bibliothek besaß, alle Bücher die von jüdischen Schriftstellern geschrieben worden waren, aus ihrer Bibliothek zu entfernen und zu verstecken. An ihre Stelle stellte sie Bücher von nichtjüdischen Schriftstellern in die Regale. Im selben Jahr drangen die Faschisten in das Haus ein und vertrieben die Familie. Alda erinnert sich, dass die Familie nur zwei Stunden Zeit hatte, um das Haus zu verlassen: „Das war ein traumatisches Erlebnis für mich. Ansehen zu müssen, wie meine Großeltern und meine Eltern, die sehr starke Menschen waren, hilflos wurden, hat mich wirklich erschüttert!“

„Aber ich habe begriffen“, fährt sie fort, „dass jetzt alles auf den Kopf gestellt wurde, dass meine Eltern mich brauchten und ich für sie stark sein musste. Ich erinnere mich, dass das einzige, was ich in diesen zwei Stunden mitgenommen habe, Bücher waren. Das war das ein und alles für mich. In all der Traurigkeit gab es aber auch etwas sehr Ermutigendes, das wir erleben durften: die Loyalität der Hausangestellten. Ich war von deren Solidarität einfach überwältigt. Alle Arbeiter und Dienstmädchen kamen mit uns. Das hat uns in dieser Situation sehr gestärkt.  Das gab uns Hoffnung und ließ uns ein wenig zuversichtlich sein.“

Aldas Familie trennte sich. Ihr Vater musste, weil er Jude war, untertauchten.  Er lebte sogar eine Zeit lang in einem Kloster (Palazzo Piccolomini in Siena). Die Nonnen mochten ihn sehr. Er verbrachte viel Zeit mit ihnen und teilte sein großes Wissen mit ihnen. Der Rest der Familie floh zu Fuß zu Cesarinas Familie in Siena, wo sie von Zeit zu Zeit ihre Verstecke wechselten und sich eine Zeit lang sogar auf einem Dachboden in einem Haus direkt neben dem Hauptquartier der Gestapo versteckten.

Gegen Ende des Krieges, im Jahr 1943, lernte Alda ihren Mann Joseph kennen. Joseph war als Zionist von Moldawien nach Eretz Israel eingewandert. Er diente sogar in der Irgun-Untergrundbewegung, die gegen die britische Mandatsmacht kämpfte. Aber angesichts der nahenden Bedrohung des Landes im Zweiten Weltkrieg durch die Nazis beschloss Joseph, sich in der britischen Armee anzuschließen. Er nahm an der Invasion in Italien teil. Nach der Befreiung der Region Siena lernte er Alda kennen und sie heirateten. Einige Monate später wurde Joseph per Schiff von Neapel nach Ägypten geschickt. Alda und Joseph verabredeten sich auf dem Schiff, aber aus irgendeinem Grund konnte Alda nicht rechtzeitig an Bord des Schiffes gelangen, und es fuhr ohne sie ab. Alda, eine junge Frau von gerade einmal 17 Jahren, blieb allein im britischen Militärlager in Siena zurück. Mit viel Mühe gelang es ihr, ein Treffen mit dem Lagerkommandanten zu arrangieren, und wiederum mit viel Mühe gelang es ihr, diesen zu überreden, ihr einen Platz auf dem nächsten Schiff zu verschaffen, das unter dem Schutz der britischen Marine nach Eretz Israel fuhr. Dort traf sie wieder mit Joseph zusammen, der mit dem hebräischen Namen „Yosef“ genannt wurde.

Alda in ihrem Haus in Shavei Zion nach dem Interview mit der Freiwilligen Hila und dem Forschungsleiter Ariel.
Alda in ihrem Haus in Shavei Zion nach dem Interview mit der Freiwilligen Hila und dem Forschungsleiter Ariel.

Alda und Yosef gründeten ihre Familie im Moshav Shavei Zion. Alda erzählt, wie sie und ihr Mann sich für den Moshaw entschieden haben: Yosef studierte Architektur am Technion in Haifa und nach seinem Studienabschluss wollten sie eine Reise nach Beirut unternehmen. Auf der Reise machten sie Station in Shavei Zion, an der Straße zwischen Haifa und Beirut. Sie kauften im dortigen Lebensmittelladen etwas zu essen und blieben den ganzen Tag dort, um die Schönheit des Ortes zu bewundern. Schließlich ließen sie sich dort nieder und zogen dort ihre fünf Kinder auf.

Alda bei der Hochzeit ihres Bruders Piero in Italien.
Alda bei der Hochzeit ihres Bruders Piero in Italien.

Abschließend war es für Alda sehr wichtig, eine Botschaft zu vermitteln: „Es ist immer gut, optimistisch zu sein, daran zu denken, dass es morgen besser sein wird und die Dinge nicht zu schwer zu nehmen. Es gibt keinen Grund, nichts zu tun.  Schlimme Dinge passieren, aber es ist wichtig, selbst in solchen Zeiten positiv zu bleiben. Ich weiß, dass mir das immer geholfen hat.“

Links das erste Haus der Familie Mochli in Shavei Zion.
Links das erste Haus der Familie Mochly in Shavei Zion.