Ein Familienfoto der Familie Heymans vor dem Holocaust. Vardit ist das kleine Mädchen in der Mitte des Fotos.
Ein Familienfoto der Familie Heymans vor dem Holocaust. Vardit ist das kleine Mädchen in der Mitte des Fotos.

Vardit Meir wurde 1929 als Rosel Heymans in Borken in Deutschland als jüngstes von vier Kindern von Leon und Martha Heymans geboren. Die Familie war religiös.

Vardit auf einem Foto, das in ihrer jüdischen Schule aufgenommen wurde. Vardit steht in der ersten Reihe ganz links.
Vardit auf einem Foto, das in ihrer jüdischen Schule aufgenommen wurde. Vardit steht in der ersten Reihe ganz links.
Vardit Meir und ihre Mutter Martha Heymans.
Vardit Meir und ihre Mutter Martha Heymans.

„Wir hielten den Schabbat ein“, erzählte Vardit, „und gingen in die Synagoge. Wir alle haben die Feiertage geliebt und uns auf sie gefreut: Die Feiertage waren für uns ein großes Erlebnis. Mein persönlicher Lieblingsfeiertag war Chanukka. Mutter bereitete einen besonderen Tisch vor und legte ein großes rotes Tischtuch aus, das den Tisch bedeckte und bis zum Boden reichte. Sie stellte die Menora auf den Tisch, und daneben stellte sie für jeden von uns einen eigenen Süßigkeitenteller. Sie versteckte die Geschenke für alle unter dem Tisch, der von der roten Tischdecke bedeckt war. Jedes Jahr konnte ich es kaum erwarten, mein Chanukkageschenk zu erhalten. Bis zum heutigen Tag habe ich die Tradition meiner Mutter mit meinen Enkeln und Urenkeln fortgesetzt, und Gott sei Dank habe ich 19 Urenkel! Jedes Chanukka-Fest kommen sie zu mir, und ich bereite für sie einen solchen Tisch mit einem Süßigkeitenteller für jeden Enkel vor, so wie es meine Mutter für uns gemacht hat.“

Werbeflyer des Textilgeschäfts von Leon und Martha Heymans.
Werbeflyer des Textilgeschäfts von Leon und Martha Heymans.
Das Geschäftshaus in Borken.
Das Geschäftshaus in Borken.

Die Familie Heymans hatte ein großes Textilgeschäft in Borken. Eines der schönsten Kindheitserlebnisse für Vardit war es, nach der Schule zum Textilgeschäft zu laufen, um der Familie im Laden zu „helfen“. „Ich habe das auch für mich gemacht. Ich habe diesen Ort geliebt!“, erzählte sie.

Leon und Martha Heymans, Vardit Meirs Eltern.
Leon und Martha Heymans, Vardit Meirs Eltern.

Leon Heymans, der aus den Niederlanden stammt, fuhr im Oktober 1938 mit dem Zug nach Groenlo, wo seine Verwandten wohnten. An der Grenze wurden ihm zwei Sparbücher seiner Kinder abgenommen. Die Zollbeamten erlaubten ihm die Weiterreise, aber am nächsten Tag berichtet die Tageszeitung in Borken, dass Leon Heymans mit zweitausend Gulden geflohen sei. Seine Frau rief in an und bat ihn, in den Niederlanden zu bleiben, bis die Angelegenheit geklärt sei. Wenige Tage später, in der Pogromnacht des 9. November 1938 brachen Nazis in das Textilgeschäft der Familie in Borken ein und richteten großen Schaden an. Martha Heymans entschloss sich darauf, mit den Kindern ebenfalls in die Niederlande zu reisen und dort die weitere Entwicklung abzuwarten.

Leon Heymans beteiligte sich am Textilgeschäft, das sein Bruder Harrie in Groenlo führte.

Mit Kriegsbeginn wurde die Situation der Familie auch in den Niederlanden immer prekärer. Am 8. Oktober 1941 wurde Leon mit vier anderen jüdischen Männer bei einer Razzia während des Laubhüttenfestes verhaftet und ins KZ Mauthausen verschleppt. Zwei Wochen später erhielt seine Familie die Nachricht, dass er an Herzversagen gestorben sei.

Das Denkmal für die Juden von Borken, die im Holocaust ermordet wurden.
Das Denkmal für die Juden von Borken, die im Holocaust ermordet wurden.

Kurz darauf wurden Vardits Mutter und ihre ältere Schwester in das Vernichtungslager Auschwitz gebracht und dort ermordet. Von den Kindern der Heymans überlebten nur drei. Vardit, die Jüngste der Familie, war 1943 14 Jahre alt, als sie zum ersten Mal in ihrem Leben für sich selbst sorgen musste.

Zwei Jahre lang, von April 1943 bis April 1945, zog Vardit umher und versteckte sich an etwa 14 verschiedenen Orten. Der Ort, an den sie sich am besten erinnert, ist die niederländische Stadt Zeist. Dort lernte sie „Tante Mien“ und Miens Ehemann Chris kennen.

Tante Mien adoptierte Vardit und bemühte sich, für alles, was das Mädchens benötigte, zu sorgen. Sie änderte auch den Namen Rosel - Vardits Geburtsname - in „Corrie", damit niemand auf die Idee kam, dass es sich bei dem blonden holländischen Mädchen in Wirklichkeit um eine Jüdin handelte, die auf der Flucht vor den Nazis war.

Aber auch jetzt war das Versteck in Zeist zu Vardits großem Leidwesen nicht sicher. Nachbarn warnten die freundliche Tante Mien, und Vardit war gezwungen, während des Krieges weiter zu fliehen und sich andere Verstecke zu suchen.

Vardit Meir mit dem Schiff, auf dem sie nach Eretz Israel eingewandert ist.
Vardit Meir mit dem Schiff, auf dem sie nach Eretz Israel eingewandert ist.

Nach Kriegsende traf Vardit wieder mit ihren überlebenden Geschwistern zusammen und wanderte 1948 an Bord des illegalen Einwandererschiffs „Negba“ nach Eretz Israel aus. Sie ließ sich im Kibbuz Ein Hanatziv nieder, wo sie ihren Ehemann, Zvi Meir, kennenlernte. Neun Jahre nach ihrer Heirat zog die Familie nach Shavei Zion.

Vardit hat die Freundlichkeit und Großzügigkeit nie vergessen, die ihr von Tante Mien und Chris entgegengebracht wurde. Sie suchte nach einer Möglichkeit, den Kreis zu schließen und sich irgendwie für die Güte zu revanchieren, die sie ihr erwiesen hatten. Tatsächlich machte das Schicksal dies möglich. Vardit konnte Tante Mien ausfindig machen und sie für etwa sechs Wochen in ihrem Haus in Shavei Zion beherbergen. „Ich war so aufgeregt, dass sie kam! Ich habe dafür gesorgt, dass sie sich wie in einem Fünf-Sterne-Hotel fühlen konnte. Für jeden Tag, den sie mich versteckte, habe ich sie beherbergt und ihr das Beste gegeben, was ich ihr geben konnte. Außerdem habe ich mich dafür eingesetzt, dass meine Tante von Yad Vashem als „Gerechte unter den Völkern“ anerkannt wurde, damit sie den Respekt erhielt, den sie verdiente, und das ist schließlich auch geschehen.

Vardit lebte im Moshav Shavei Zion, genoß die große Familie, die sie gegründet hatte, und erfreute sich an den einfachen Dingen des Lebens.

Sie ist am 12. Januar 2022 in Shavei Zion im Alter von 92 Jahren gestorben. Wir sind froh, dass wir von ihr noch ihre Lebensgeschichte erfahren durften.

Vardit mit dem Projektkoordinator Ariel, nach dem Interview in ihrem Haus in Moshav Shavei Zion.
Vardit mit dem Projektkoordinator Ariel, nach dem Interview in ihrem Haus in Moshav Shavei Zion.