Gadi Zilberman Hass ist eine zerstörerische Sache.
Gadi wurde 1940 als Sohn von Hannah und Aharon Zilberman in Mikaszewicze, einer Stadt in Weißrussland, geboren. Soweit Gadi weiß, floh seine Mutter 1939 kurz vor dem Krieg, von Polen nach Weißrussland. Sein Vater war Soldat in der Roten Armee. Gadi glaubt, dass seine Mutter in Folge von Nachrichten ihres Mannes Aharon geflohen ist. Gadi sagt traurig, dass er seinen Vater nie kennengelernt hat, da dieser im Krieg gefallen ist.
Weil er während des Krieges noch so jung war, sind Gadis Erinnerungen sehr begrenzt. Tatsächlich beginnen sie, mit dem Zeitpunkt als die Nazis das Gebiet in Weißrussland besetzten, in dem er und seine Mutter gelebt hatten. Kurz vor der Okkupation durch die Nazis wurden sie von den sowjetischen Behörden in die Stadt Margilan in Usbekistan gebracht. Gadi glaubt, dass die Hilfe, die seine Mutter von den sowjetischen Behörden bei der Flucht und der Umsiedlung erhielt, eine Anerkennung dafür war, dass sein Vater in der Roten Armee gedient hatte und im Kampf gefallen war.
Mariglan war keine große Stadt, verfügte jedoch über eine gut entwickelte Industrie, insbesondere im Bereich der Textilproduktion, darunter auch Seide. Als Gadi über seine Kindheit in Margilan befragt wird, sagt er: „Unser Zuhause war eigentlich eine lange Kaserne, in der etwa 50 Familien untergebracht waren. Die sanitären Bedingungen waren schwierig. Die Toiletten waren außerhalb. Aber wenigstens war ich bei meiner Mutter.
Meine Mutter arbeitete etwa 18 Stunden am Tag in zwei Schichten: in der ersten Schicht arbeitete sie in der Weberei und in der zweiten Schicht in der Küche, so dass ich die meiste Zeit des Tages ohne sie war. Es gab nie genug zu essen. Ich war immer schrecklich hungrig. Das einzig Gute war, dass meine Mutter in der Küche arbeitete, so konnte sie mir ab und zu etwas zu essen zusteckte. Abends kroch ich unter dem Fabrikzaun hindurch, traf sie im Hof und bekam von ihr Suppe und Brot. Das galt damals als ein großes Abendessen. So kam ich ziemlich gut über die Runden, bis ich einmal eine schwere Ruhr bekam und ins Krankenhaus gebracht wurde. Ich war lange Zeit im Krankenhaus. Da meine Mutter in dieser Zeit nicht bei mir war, hat sich mein Zustand natürlich verschlechtert. Meine Milchzähne fielen aus, wahrscheinlich aufgrund von Infektionen und Unterernährung. Ich erinnere mich, dass einer der Ärzte mir sagte, dass mir grüne Zwiebeln helfen könnten. Nachdem ich es geschafft hatte, etwas stärker zu werden, stellte ich fest, dass es einen privaten Garten gab, der einem der Mitarbeiter des Krankenhauses gehörte und in dem er grüne Zwiebeln anbaute. Ich schlich mich in den kleinen Garten und stahl die Zwiebeln. Ich wollte nur überleben, und Gott sei Dank haben meine Mutter und ich überlebt.
Kurz nach Kriegsende, Ende 1945, erlaubten die Polen allen polnischen Bürgern, nach Polen zurückzukehren. Die Reise von Usbekistan nach Polen dauerte etwa drei Monate in Zügen, die für Viehtransporte benutzt worden waren. Die Reise dauerte deshalb so lange, weil die meisten Gleise während des Krieges beschädigt oder zerstört worden waren. In jedem Waggon befanden sich etwa 50 Personen. Es war ziemlich voll, aber wir hatten keine andere Wahl, also kamen wir mit.
Eines der Ereignisse, an die ich mich von der Reise erinnere, war, dass wir einmal an einem bestimmten Ort anhielten. Wenn wir anhielten, stiegen wir normalerweise aus dem Zug aus und kochten uns aus unseren Vorräten etwas zu essen, und wenn es Zeit war, die Reise fortzusetzen, hupte der Zug dreimal, und nach der dritten Warnung fuhr er los. Wenn man zu spät kam, saß man allein mitten im Nirgendwo fest. Als ich damals nach der dritten Warnung die Holzleiter in den Zug kletterte, setzte sich der Zug in Bewegung. Ich geriet ins Straucheln und wäre fast gestürzt. In letzter Sekunde packte mich jemand und warf mich hinein. Einen Augenblick später zerbrach die Leiter, auf die ich geklettert war, bei einem heftigen Stoß auf den Gleisen in Stücke. Noch heute denke ich darüber nach, was mit mir passiert wäre, wenn mich nicht jemand hineingezogen hätte.
Als wir endlich in Polen ankamen, wurden wir von Vertretern der Jewish Agency empfangen, die uns in der Stadt Świdnica unterbrachten. Jede Familie erhielt in einem Aufnahmezentrum in einer ehemaligen Schule eine kleine Wohnung. Etwa sechs Monate nach ihrer Ankunft in Polen heiratete meine Mutter meinen Stiefvater Aharon Batman, der 25 Jahre älter war als sie. Bis auf eine Person, die überlebt hatte, war die gesamte Familie meines Stiefvaters im Holocaust ermordet worden.
Etwa ein Jahr später, 1947 wurde ich eingeschult. Die Schule war eine jüdische Schule, und obwohl seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nur etwa zwei Jahre vergangen waren, herrschte immer noch eine große Feindseligkeit gegenüber Juden, die auch von den nichtjüdischen Kindern gezeigt wurde. Wir gingen zu zweit zur Schule und deckten uns mit Tinte ein, als „Verteidigungswaffe" gegen die Schikanen der nichtjüdischen Kinder. Ich hatte Rollschuhe und habe mich immer vor den anderen Kindern auf dem Gelände umgesehen, ob alles sicher war. Ich habe immer auf meine Freunde aufgepasst. Ich erinnere mich an das Lager am Ende des ersten Schuljahres. Wir wurden zu einem Gelände gebracht, das während des Krieges als Todeslager gedient hatte. Wir waren schockiert! Wir sahen die Krematorien, wir haben den Todesgestank gerochen. Bis heute verstehe ich nicht, warum (wir dorthin gebracht wurden). Es gab keinen Grund für so etwas. Wir waren doch noch Kinder. Es hat uns nur die schreckliche Realität des Holocausts vor Augen geführt.
In den folgenden Jahren schloss ich mich der religiösen Jugendbewegung „Hashomer Hadati“ und der „Jabotinsky“-Bewegung an, wo ich zum ersten Mal etwas über das Land Israel, die Alija und den Zionismus erfuhr. 1951, etwa vier Jahre nach meiner Einschulung beschlossen wir, nach Israel auszuwandern. Die Reise begann mit einer fünftägigen Zugfahrt von Polen nach Venedig in Italien, wo ich zum ersten Mal ein Schiff sah und sehr aufgeregt war. Das Schiff, auf dem wir fuhren, hieß „Galila“, ein Frachtschiff, das zu einem Passagierschiff umgebaut worden war. Natürlich war das Gedränge furchtbar, dazu kam das sehr schlechte Wetter während der Überfahrt. Viele Menschen mussten sich übergeben, aber nach vier anstrengenden Tagen kamen wir in Israel an.“
Gadis Familie ließ sich zunächst in Pardes Hanna nieder. Gadi selbst ist im Kibbutz HaMa'apil aufgewachsen, und als er die High School abgeschlossen hatte, meldete er sich zum Nahal-Bataillon der IDF, wo er seine Frau Ilana kennenlernte. Das Paar baute sein Haus im Kibbuz Rosh HaNikra, wo sie ihre drei Kinder aufzogen. Sie haben sieben Enkelkinder. Sie leben auch heute noch in Rosh HaNikra.
Abschließend ist es Gadi wichtig, seine Geschichte mit einer Botschaft an die jüngere Generation zu beenden: „Akzeptiert und respektiert jeden Menschen, egal ob er Jude oder Nichtjude ist. Hass ist eine zerstörerische Sache!“